Sigmund Freud – die Jugendjahre


Freud – die Jugendjahre

Warum Freud?

Nun ich bin ja in Wien aufgewachsen, – nach Waidhofen bin ich ja erst durch Heirat gekommen.
Und natürlich bin ich ich auch in Wien in die Schule gegangen. Und nach der Volksschule bei den Piaristen in der Ziegelofengasse – übrigens die gleiche Schule, die auch Falco besucht hat – war ich dann nach Ablegen einer Aufnahmeprüfung – die war damals verpflichtend, plötzlich im zweiten Bezirk im Gymnasium.

Und da war ein Direktor, der vorm ersten Tag an immer wieder von einem gewissen Sigmund Freud geredet hat. „der berühmteste Schüler unserer Anstalt“. 1965 ,Mit 10 Jahren ist einem das ziemlich Wurscht, – aber er hat das einfach immer wiederholt und in der Oberstufe hat dann diese frühe Sensibilisieren auf diesen Name dazu geführt, sich mit diesen Dingen zu beschäftigen. In Referate über „das Unbehagen in der Kultur“ oder den Oedipuskomplex war es möglich, im pubertären Überschwang Dinge zu sagen, die sonst im Unterricht von den Professoren nicht zu hören waren. Und das wurde natürlich ausgenutzt und war ganz lustig und es wurde einfach über das alles in der Klasse – wir waren eine der letzten nicht koedukativ geführten Klassen – gesprochen. Ein Referat über den Penisneid und Kastrationsangst war ein Renner. Ich bin erst später draufgekommen, dass Sigmund Freud genau 100 Jahre vor mir eingeschult wurde und genau 100 Jahre vor mir die Matura abgelegt hat.

Die Beschäftigung mit dieser Zeit hat fast so etwas wie ein Suchtpotential. Je mehr man in diese Geschichte und Geschichten eintaucht, umso mehr ist die Gefahr der Verzettelung.. Und diese genau 100 Jahre Unterschied führen in Versuchung, das eigene Lebensgefühl des jeweiligen Altersabschnittes, die biografischen Ereignisse in Korrespondenz zu setzen.
Irgendwie wollte ich wissen, wie es jemand geschafft hat, und was da alles passiert ist, dass einer, der nicht unbedingt die besten gesellschaftlichen Voraussetzungen und das beste Umfeld gehabt hat, dieses Wirkmächtigkeit gehabt hat.

Die Zeit:
1857 – da wurde die Errichtung der Ringstraße – an Stelle der alten Freifläche vor der Stadtmauer – bekanntgegeben. Das hat zu einem wirtschaftlichen Flash geführt und viele Menschen aus der Provinz angezogen, nach Wien zu kommen.

Und die Familie Freud war da einfach eine von Vielen.

Beginnen möchte ich mit ein paar biographischen Daten von Freud. Ich werde nicht das ganze Leben von Freud erzählen, sondern nur so in etwas bis zum Jahr 1895. Da sind die Studien über Hysterie erschienen.Warum das so ein wichtiger Zeitpunkt ist, werde ich noch sagen.

Freud wurde am 6.Mai 1856 in Tschechien geboren. In Pribor/ Freiberg in Mähren – so in einer Linie mit Brünn, Katowice , Czestochau nordöstlich von Wien.

Sein Geburtsname ist Sigismund Schlomo Freud.

Er hat den Namen dann in Sigmund geändert. Drum auch das kurze i. Sigmund kommt eben nicht von Siegfried. – Aber keine Angst, auch auf der Mitgliedskarte der Gesellschaft der Ärzte ist sein Name mit langem i geschrieben.

Als er vier Jahre alt war, 1860 also übersiedelte die Familie nach Wien.

1860 in Wien – 1857 gab Kaiser Franz Josef die Errichtung der Ringstraße bekannt

1860 bekamen Juden die Realbesitzfähigkeit – vorher durften sie keine Realitäten besitzen – Sehr wohl aber gab es jüdische Handelsfamilien die große Kapitalsummen quasi in Bereitschaft liegen hatten. und das wurde dann sofort auch als Gelegenheit wahrgenommen, dieses Kapital in Realitäten zu investieren. und das wurde ja in den Ringstraßenpalais (Ebrusti, der Hase mit den Bernsteinaugen – etc ) auch gleich wahrgenommen.
Die Unmenge von Ziegel, die mit diesen Häusern an der Ringstraße und auch den ganzen Gründerzeithäusern in den Wiener Vorstädten gebraucht wurden, wurden von den sog. Ziegelbehm – Gastarbeiter aus Böhmen – am Laaerberg hergestellt. (Sandler waren die Arbeiter, die die Ziegel mit Sand einstaubten. )

Heinrich Drasche – ebenfalls aus Mähren zugewandert – der Ziegelbaron – hat nicht nur die Ziegel produziert, sondern auch eines dieser Häuser in Auftrag gegeben. – den Heinrichshof – Visavis der Oper – nicht als Stadtpalais sondern als Nobelzinshaus. – Wer seinen Travnicek kenn, der weis, dass dieses Gebäude lange Zeit nach Kriegsende als Ruine dastand , und Wien sich nicht einigen konnte, ob es abgerissen und neu gebaut oder in der alten Kouvertour wieder renoviert werden sollte. Heute ist es der Opernhof – Ob da nicht der Heinrichshof schöner gewesen ist, kann ich nicht sagen.

Das heißt Wien in dieser Zeit war ein Kochtopf mit Überdruck. Es war Kapital vorhanden, es wurden Häuser gebaut, es waren Menschen vorhanden, die in diesen Häusern wohnen wollten/mussten, Es gab diese Innenstadt mit dem Hofadel, das Beamtentum, ein Bürgertum und die Vorstädte – und das alles in einer oberflächlich sehr starren Struktur, erstarrte Moralvorstellungen, Doppelmoral,
Jede dieser Gruppen – Hofadel, Beamtentum, Bürgertum hatte seine eigenen Rituale, seine eigenen unausgesprochenen Gesetze. Seine Doppelmoral, seine Standesdünkel. Der Begriff Frauenrechte war noch nicht erfunden.

Aber zurück zu Freud.
Wien hatte im Jahr 1864 bei einer Einwohnerzahl von über einer halben Million nur vier Gymnasien
Das Akademische Gymnasium am Ring, das Schottengymnasium, und das Piaristengymnasium im 9. Bezirk. Das Theresianum war ein Internat für höhere Militärweihen und hat externe Schüler nur in Ausnahmefällen aufgenommen.

1864 wurden deshalb zwei Gymnasien gegründet. eine im 6. Bezirk das Amerlinggymnasium – gleich beim Haus des Meeres – untergebracht in einem Stadthaus der Familie Esterhazy und eines im zweiten Bezirk. In einem Haus der Braun Radislowitzschen Stiftung. Das ist eine Stiftung, die es heute noch gibt und deren Ziel es war, Kindern aus armungefährdeten Verhältnissen zu helfen. Der Lehrplan sah folgende Unterrichtsgegenstände vor: Religion, Latein, Deutsch, Griechisch oder Französisch, Geschichte, Geographie, Naturwissenschaft, Mathematik und Zeichnen.

Der Gymnasiast September 1865 bis Juni 1873

1864 wurde das „Leopoldstädter Realgymnasium“ feierlich eröffnet. Zunächst in der Taborstraße 24. – Für 98 Schüler stand ein einziger Schulraum zur Verfügung.

Freud wurde nach bestandener Aufnahmeprüfung mit 9 Jahren – ein Jahr früher als üblich – 1865 eingeschult – er war Klassenprimus während der gesamten Schulzeit – und hat wie gesagt im Jahr 1873 die Matura abgelegt. Mit 17 Jahren. In Latein übersetzte er eine Stelle aus Vergil, in Griechisch eine Stelle aus dem König Oedipus von Sophocles. (die die nicht so gut waren in Griechisch mussten eine Stelle von Platon übersetzen. )Die Deutschmatura mit dem Thema „Betrachtungen über die Berufswahl“ wurde leider von den Nazis gefunden und vernichtet.

Freud war sicherlich strebsam. Wurde als Erstgeborener von seinen Eltern gefördert. Es ist nicht ganz klar, ob er eine Volksschule besucht hat. Seinen Schwester sagt nein, er selbst berichtet von einer Privatschule. Der hauptsächlich Unterricht dürfte durch seinen Vater erfolgt sein.
Und hier dürfte es gelungen sein, diesen unbändigen Wunsch nach Bildung in dem 6 jährigen Knaben zu formen. Er selbst dürfte doch auch von seinen Anlagen ein „fotografisches Gedächtnis“ mitgebracht haben. Zumindest beschreibt er in einem Brautbrief dass er bei einer medizinischen Abschlussprüfung eine Frage die er eigentlich nicht gelernt hat, wortwörtlich aus einem Lehrbuch, das er wie er sagt – nur überflogen hat – beantwortet.

Er hatte in der Wohnung der Eltern ein eigene Zimmer – ein kleines Kabinett – und sogar eine eigene Petroleumlampe. In den anderen Zimmern war nur Kerzenlicht. Gaslaternen waren meist nur im öffentlichen Raum, erst die Häuser die um die Jahrhundertwende gebaut wurden, hatten Gasleitungen zu den Deckenlampen.

Während seiner Gymnasialzeit war der Höhepunkt des Wiener Wirtschaftswunders. Alles boomte, zog zu. Noch Größer, noch Repräsentativer, noch Wunderbarer sollte alles werden.

1873, in seinem Maturajahr war auch die Weltausstellung in Wien
Eröffnete am ersten Mai 1873
am 9. Mai 1873 kam es zum Zusammenbruch der Wiener Börse.

Freud war beim Lernen aber auch ein Despot. Als seine Schwester Klavierspielen lernen sollte, hat ihn das so gestört, dass das erworbene Klavier wieder abtransportiert werden musste. Er muss in dieser Zeit unheimlich viel gelesen haben. So wie unsere Generation Karl May, Lederstrumpf oder Perry Rhodan gelesen hat und so Anteile von Winnetou, Old Shatterhand oder Sam Hawkins internalisiert haben, hat Freud Alexander den Großen, Hannibal, die Ilias etc inhaliert. Gleichzeitig hat er privat mit einem Freund Spanisch gelernt.

Ausgerechnet der, der dann mit „Kultur ist Triebverzicht“ – im „das Unbehagen in der Kultur“ den Begriff der Triebsublimierung einführte, hat das in seiner Jugend massiv selbst praktiziert. Ich denke jeder von uns, der sich noch erinnern kann, was der hormonelle Überschuss der Pubertät so alles auslösen kann im Alter von 14 bis 18 Jahren, kann nachvollziehen wie hoch die Selbstdisziplin von Freud war.

Ursache für dieses hohe Maß an Selbstdisziplin war eine tiefe Armutserfahrung in seiner frühen Kindheit und auch die Aussage seiner Mutter, „du wirst einmal berühmt werden“. Und dieses „berühmt werden“ sollte so sein Lebensthema werden. Er wollte etwas entdecken.

Der Medizinstudent: September 1873 bis März 1881 – 25 Jahre alt

Und so hat er an der Universität Medizin inskribiert. Da hat er am ehesten eine Chance auf neue Entdeckungen gesehen. Darwin hatte ja 1859 seine Evolutionstheorie veröffentlicht, – und er hat im Medizinstudium praktisch Zoologie inskribiert und dann auch im zweiten Studenabschnitt ein Stipendium an der neu gegründeten meeresbiologischen Station in Triest erhalten. „Über die Reproduktionsargane von Aalen“. – bei der Studie ist nicht herausgekommen. Nichts weltbewegendes. – kein Grund, berühmt zu werden.

Neben dem Studium arbeitet er ein einen physiologischem Labor. Die Physiologie war damals eine der wichtigsten medizinischen Wissenschaften – der Lehre vom Funktionieren allen lebenden und den Abläufen, die das Leben ausmacht. Und hier wiederum die Schule und Denkweise von Ernst Brücke. Es ging darum, Abläufe des Lebens auf chemische und physikalische Prozesse „herunterzubrechen“ und allgemein begreifbar zu machen. Es ist kaum vorstellbar, dass es nur krude Vorstellungen über die Zusammenhänge des Lebens gegeben hat. Brücke hat als erster nachgewiesen, dass die Ganglienzelle der Ursprung der Nervenfasern ist. Und Freud bekam eine Arbeit über die Funktion der Nervenzellen zugewiesen.
1879 wurde er zum Militärdienst einberufen.
Dann hat er alle Rigorosen in kurzer Zeit gemacht und wurde im März 1881 zum Doktor der Medizin promoviert.

Der Sekundararzt 1881 bis 1885 – Am Weg zum Neuropathologen

Er wollte dann eigentlich weiter forsche und ist am physiologischen Institut als Demonstrator geblieben, bis ihm 1882 zu Bewusstsein gekommen ist, dass er eigentlich auch von etwas leben muss. Und damit hat er beschlossen Arzt zu werden und als solcher zu praktizieren. Mitschuld an dieser Entscheidung war sicherlich die, dass er sich im Sommer 1882 in Martha Bernays – seine spätere Frau verliebte. 1861 geboren, also 4 Jahre jünger als er. Er hat um sie geworben, indem er ihr täglich eine rote Rose schickte mit seiner Visitenkarte und einem „Denkspruch“ in Lateinischer, Spanischer , englischer oder deutscher Sprache. Die Familie stammt aus Hamburg.

Die Mutter seiner Frau war darüber gar nicht so begeistert und ist mit ihrer Tochter gleich einmal nach Deutschland nach Wandsbeck /Hamburg – gefahren und übersiedelt.
.
Er hat also so etwas wie den Turnus nachgeholt. Zuerst Chirurgie bei Billroth – da ist er bald wieder gewechselt, dann Interne bei einem gewissen Nothnagel. „wer mehr als 5 Stunden Schlaf benötigt, sollte nicht Medizin studieren“.

Die Arbeit mit den Patienten hat ihm nicht so interessiert. Und so hat er nebenbei wieder zu forschen begonnen. „Die Anatomie der Medulla obongata“ war sein Thema. Und das ist sichtlich erstmals die Idee gekommen, „Neuropathologe“ zu werden. Es war damals üblich, Klinik, Theorie und dann das Obduktionsergebnis zur Deckung zu bringen. Drei exemplatische Behandlungsfälle hat er veröffentlicht. Einer davon war ein 17jähriger Schuhmacherlehrling mit Skorbut – an dem ist man damals sichtlich nicht nur bei Schiffsreisen verstorben.

Er ist dann nach Nothnagel auf eine andere Interne gewechselt – zur einem gewissen Scholz, wo Nervenkrankheiten besondere Aufmerksamkeit gewidmet wurden . Über all diese Jahre gibt es einen umfangreichen Briefwechsel mit der Martha. Über 1400 Briefen in diesen über 4 Jahren der Verlobungszeit.

Kleiner Einschub – Freud hat nicht nur Studien über das Stammhirn gemacht.

1884 Studien über Kokain – Diese Studien sind nicht in seinen „Gesammelten Werken“ enthalten.
In diese Zeit der Krankenhausausbildung/Arbeit im Krankenhaus wurden von ihm diese Kokainstudien durchgeführt. Ausgehend von einer Beobachtung eines Militärarztes während einer Herbstwaffenübung bayrischer Soldaten – hat Freud begonnen sich bei der Fa Merck in Darmstadt Kokain zu bestellen und hat damit selbst experimentiert und es auch selbst genommen. Und es auch einem guten Freund gegeben, der auf Grund massiver Schmerzen nach einer infektionsbedingten Daumenamputation Morphiumsüchtig wurde. Er hat sich im Überschwang gedacht, dass er mit Kokain die Morphiabhängigkeit heilen kann. Das hat halt zu einer doppelten Abhängigkeit geführt. Der Freund ist dann auch verstorben. In seinen persönlichen Überlegungen war immer die psychische Wirkung im Vordergrund. Die lokalanästhetische Wirkung hat er zwar an sich selbst wahrgenommen, aber in ihrer Bedeutung nicht erkannt.

Das hat ein ein gewisser Karl Koller – wie Freud Sekundararzt – nur halt auf der Augenklinik – der hat das erkannt. Und am 17. Oktober 1884 hat er dann in der Gesellschaft der Ärzte – im Billrothhaus seinen Vortrag darüber gehalten. Die Lokalanästhesie bei Augenoperationen war entdeckt. Die erste Kataraktoperation unter Lokalanästhesie wurde durchgeführt. Koller ist damit weltweit berühmt geworden und später auch in die USA ausgewandert.

Kleiner Einschub mit Lokalbezug: in einem der Brautbriefe – Dienstag, 6.Jänner 1885 – berichtet Freud seiner Braut von einem Duell das Koller gewonnen hat. Koller war Jude und wie sein Beleidiger Reserveoffizier und darum mussten sie sich fordern. Um die latente bis offene antisemitische Stimmung an der medizinischen Fakultät der damaligen Zeit kennenzulernen kann ich nur empfehlen, den „Professor Bernhardi“ von Schnitzler zu lesen.

Und nun der Lokalbezug: nachdem es immer öfter vorgekommen ist, das Juden – es gab eigene jüdische Studentenverbindungen – besser fechten konnten und in den Duellen gewonnen haben, hat sich im Jahr 1890 „der Waidhofner Verband der wehrhaften Vereine Deutscher Studenten in der Ostmark“ gegründet und das „Waidhofner Prinzip formuliert, das dann auch von allen Wiener Studentenverbindungen angenommen wurde. Juden wurden einfach von der Austragung von Ehrenangelegenheiten – das heißt von Duellen – ausgeschlossen. Juden galten ab dieser Zeit als generell nicht satisfaktionsfähig.

Der Privatdozent in Paris bei Charcot 1885

Im September 1885 wurde er dann Privatdozenten für Neuropathologie – Privatdozent das war brotlos, brachte aber bei den Privathonoraren in der Ordination einen gewissen Gewinn. Er konnte dadurch etwas mehr verlangen.
An der Universität bekam er als Privatdozent keinen Gehalt ausbezahlt, doch konnte er eine begrenzte Anzahl von Vorlesungen halten, Gewöhnlich 1 bis 2, wobei für jede Vorlesung ein bis zwei Wochenstunden vorgesehen waren. Der vorzutragen Stoff durfte nicht zum medizinischen Grundlehrplan gehören und es musste das übliche Kollegiengeld verlangt werden. Geringe Hörerzahl. – Tres faciunt collegium – stammt von damals. – die Vorlesungen wurden erst 1917 veröffentlicht – „Einführung in die Psychoanalyse“

Gleichzeitig bewarb er sich für ein Stipendium in Paris bei Charcot.
Das nach einigen Schwierigkeiten bewilligt wurde.
Freud fuhr nach Paris, konnte sich bei Charcot als Privatdozent vorstellen und kam ganz intensiv mit den Themen Hysterie und Hypnose in Berührung.
Charcot leitete die Salpetrier – ein aus einem ehemaligen Pulverdepot entstandenes riesiges Krankenhaus in Paris – 4000 Frauen wurden dort auf Grund psychischer Auffälligkeiten aufbewahrt. – was immer damals als psychische Auffälligkeit definiert wurde.

Charcot war damals der erste Arzt, der Hysterie als Krankheit ernst genommen hat. Aber er hat halt an seiner Abteilung dadurch auch alle Hysterikerinnen gesammelt. Und dadurch ein anderes Bild bekommen.

Nach seiner Rückkehr war es dann endlich möglich 1887 zu heirate Er war 31, sie war 25

Ordinationsarbeit 1887 bis zum Erscheinen der Studien über Hysterie 1895 – Acht Jahre – und das ist, so denke ich eine lange Zeit.

Er hatte eine ganz normale Ordination als Nervenarzt eröffnet . In der Rathausstraße 7 . Gewohnt hat er im sog. Sühnehaus. Schottenring 7. Heute ist dort die Polizeiinspektion. Das an der Stelle des abgebrannten Ringtheaters errichtet wurde. Die Miete war günstig, da viele Menschen das schlechte Karma diese Platzes, an dem so viele gestorben sind, abgelehnt haben.

Viele Möglichkeiten der Therapie gab es damals nicht. Sein Hauptklientel waren Neurosen. (Alles was heute so unter Angsterkrankung, Depression, manischen Überschüssen etc genannt wird) . Bäder, Elektrotherapie, Massagen und eben die von Charcot in Paris und von Hippolyte Bernheim in Nancy erlernte Hypnose.

Mit Hypnose hat er sich ganz intensiv beschäftigt. Sichtlich hat er Zeit gehabt. Nicht viele Patienten. Er hat drei Bücher/Vorlesungen von Charcot aus dem französischen ins deutsche übersetzt. Die deutsche Übersetzung ist früher herausgekommen, als das französische Original. Er hat so ein ganz dickes Buch über Hypnose von Hippolyte Bernheim übersetzt. Hippolyte Bernheim hat so eine große Nervenklinik in Nancy geführt, wo er Beschwerden einfach weghypnotisiert hat. Hysterische Lähmungen, Tics, etc. „Nimm dein Bett und wandle“. Das hat allerdings nicht unbedingt lange angehalten.

Freundschaft mit Breuer

In diese Zeit fällt auch seine Freundschaft mit Breuer. Breuer war älter als Freud, arrivierter „Hausarzt“ des Bürgertums in Wien und von ihm hat er auch immer wieder Patientinnen überwiesen bekommen.
Und sie haben sich über Fälle ausgetauscht.
Und sichtlich auch herumexperimentiert mit diversen Therapie und Hypnoseformen.

Hysterie war ja damals als rein weibliche Erkrankung definiert. Freud hat aber schon 1886 einen Vortrag bei der Gesellschaft der Ärzte gehalten über männliche Hysterie. Sehr beliebt hat er sich bei seinen Kollegen nicht gemacht damit.

Geschäft muss er aber gemacht haben. Er hat dann im Sommer 1891 die Berggasse gemietet. Ordination und Wohnung in einem Haus. Die Berggasse 19, in der er dann bis zu seiner erzwungenen Emigration nach London – also von 1891 bis 1939 wohnte und arbeitete.

Freud war da drei Jahre verheiratet und die Familie hatte drei Kinder.
Freud war da gerade einmal 35 Jahre Seine Frau Martha Bernys war 30 Jahre alte.

Und sein Hauptgeschäft war eben die Hypnose und die Behandlung diverser neurotischen Ängste und Störungen. Das hat zwar etwas geholfen, aber immer nur kurz. Er hat eher die Hypnoseart von Bernheim angewendet, der einfach das Symptom im Hypnoid weghypnotisiert hat. „Wenn sie aufwachen, werden sie wieder ganz normal gehen können“ etc.

Und er war unzufrieden und ich denke, er hat einfach herumexperimentiert .
Er ist immer mehr draufgekommen, dass die Hypnose nicht bei allen Menschen möglich ist. Und damit auch mit dieser Methode nur etwa zwei Drittel aller Patient/innen behandelbar sind.
Er hat einfach auch alle Patientinnen zusammenbekommen, mit denen die anderen Ärzte nicht viel anfangen konnten. Mit Breuer hat er über die Pappenheim gesprochen und da ist aufgefallen, dass die Symptome sich bessern oder gar ganz verschwinden, wenn darüber geredet wird. Das war so eine ganz mechanistische Überlegung. Es staut sich was an, und wenn keine Abfuhr möglich ist dann kommt es zur Symptomentwicklung. – Körper und Seele als kommunizierende Gefäße. Ein Bild , das in der Psychosomatik ja immer wieder verwendet wird.

Mit Breuer hat er sich immer wieder ausgetauscht und über die besonders auffallenden Patient/innen geredet.

Und irgendwie hat er dann beschlossen, mit Breuer gemeinsam ein Buch herauszugeben. Eben diese Studien über Hysterie.

Das Buch: ist sozusagen die Quintessenz dieser 8 Jahre Praxisarbeit.

Die Studie über Hysterie – darin sind fast alle Prinzipien seiner Psychoanalyse beschrieben und sehr schön, der Weg dorthin aufgezeichnet.

Kathartische Methode – Hypnose
Konzentrationsmethode
Freie Assoziation mit der Grundregel.

Die Studie über Hysterie – über eben diese Patientin – die Anna O.- die halt recht eindrucksvoll war. In der Buntheit der Symptome. Die nicht alltäglich war. Breuer hat diese Fallgeschichte einer Therapie die er zwischen 1880 und 1882 durchgeführt hat, geschrieben.
Freud hat vier eigene Fälle beigesteuer.
Das Buch wurde 1895 veröffentlicht und gilt so als erste Abhandlung über Psychoanalyse. Er beschreibt an Hand der Falldarstellungen seine Methodik.

In dem Buch ist die Fallgeschichte der Anna O. – eben dieser Ida Pappenheim – von Breuer anhand von Notizen nacherzählt. Die Behandlung erfolgte von November 1880 bis Sommer 1882. Darin berichtet Breuer von einer Therapie einer Patientin die unter ganz vielfältigen Störungen gelitten hat.

Das war jene berühmte Anna O – Bertha Pappenheim – die unter vielfältigen Störungen gelitten hat. – z.b. hat Sie plötzlich nur in englischer Sprache reden können – Und sie hat dann bemerkt, dass die Symptome besser werden, wenn sie die Ursache, die nach ihrer Vermutung zu diesem Symptom geführt haben, ausspricht. jemandem erzählt. – the talking cure- wie sie in ihrer englischen Phase gesagt hat.

Und das hat Freud dann auf die Idee der freien Assoziation, der Psychoanalyse mit dem bekannten Setting gebracht.
Das „sie müssen mir alles erzählen war ihnen einfällt, auch wenn es ihnen noch so widersinnig vorkommt“. – So die erste Erwähnung der analytischen Grundregel

Die Erinnerung hat er gestützt indem er die Patienten auf die Stirn gegriffen hat oder ihre Kopf in seine Hände genommen hat – „sie werden sich jetzt erinnern“,…. Die Konzentrationsmethode hat er das genannt.

Er ist in seiner täglichen Arbeit dann langsam vom Hypnotisieren abgekommen. Ich denke es war ihm auch zu anstrengend. Und er hat auch immer mehr bemerkt, dass es einfach Menschen gibt, die sich nicht hypnotisieren lassen. Und auch die waren krank. Und er hat sie nicht mit seine „kathartischen Methode ´“ wie Breuer und er das genannt haben, behandeln können.
Nachdem er immer mehr gesehen hat, dass das Erzählen und das „hochkommenlassen“ traumatisch erlebter Situationen mit dem dazugehörigem Affekt – die gleiche – wenn nicht sogar eine bessere heilende Wirkung gehabt hat, hat er einfach das Setting geändert. Das Liegen auf der Couch wie bei der Hypnose – ist geblieben, aber er hat sich einfach hinter das Kopfende der liegenden Patientin gesetzt und hat sie reden lassen. Freie Assoziation hat er das dann genannt. Und er ist am Kopfende der Couch gesessen und ist sicherlich gelegentlich eingenickt oder zumindest seinen Gedanken nachgehangen. – Frei Schwebende Aufmerksamkeit hat er das dann genannt. Das war einfacher. Und das hat er dann gemacht. Und über all das hat er dann 1895 gemeinsam mit Breuer ein Buch geschrieben.

Da hat er schon 8 Jahre in der Ordination gearbeitet Seine Methode ausprobiert, entwickelt, in dieser Zeit hat seine Frau sechs Kinder bekommen. Anna war die Jüngste. Ist im diesen Jahr auf die Welt gekommen, in der diese „Studien über Hysterie“ veröffentlich wurden.

Und in dieser Studie über Hysterie sind schon alle Gedanken drinnen die auch in allen psychoanalytischen Schulen sich entwickelt haben.

Heilsam ist: das Erinnern (des ins Unbewusste verdrängten), und zwar der Vorstellung UND der zugehörigen Affekte. Die Abfuhr, des bisher im Unbewussten Aufgestauten durch Worte.
(Freud/Breuer 1895) Das war seine Grundidee

Im letzten Kapitel dieses Buches „zur Psychotherapie der Hysterie“ werden bereits alle Phänomene beschrieben und auch benannt, die bei jeder Form der Psychotherapie aber auch in abgeschwächter Form bei jeder zwischenmenschlichen Kommunikation auftreten können.
Abwehrmechanismen, Verdrängung, Widerstand, Deckerinnerungen, Übertragung und Gegenübertragung. Und natürlich das Unbewusste – als Speicher von Erinnerungen die in unser aller Leben hineinragen – auch wenn – und gerade dann, wenn sie unbewusst sind.

Und er ist stur geblieben und hat weitergearbeit.

Und obwohl dieses Buch in der „wissenschaftlichen Welt“ nur geringe Beachtung gefunden hat, ist er stur geblieben und hat wie gewohnt weitergearbeitet. Und einen gewissen Namen muss er sich schon gemacht haben.

1900 ist dann die Traumdeutung erschienen. Hier werden erstmals verschiedene Ebenen / Instanzen des Unbewussten postuliert.

1902 ist er endlich Professor geworden.

Und dann ist es gelaufen!!!

Das Unbewusste wurde katalogisiert, benannt, in den Alltag integriert durch vielerlei Schriften. –

1904 die Psychopathologie des Alltagslebens.
Das selektive Vergessen von Namen, der Freudsche Versprecher –
Der Witz – warum ein Witz witzig ist

1905 Drei Abhandlungen über Sexualtheorie – Das ist dann halt das, was viele mit ihm Verbinden. Man kann sich vorstellen, was das für einen Skandal ausgelöst hat. Kindliche Sexualtät, Sexualität abseits der reinen Reproduktionsfunktion, Erogene Zonen, Fetischentwicklung, „Normsexualität“ als Kompromiss zwischen gesellschaftlichen Normen und Lustphantasien.

Er war ein Marketinggenie. Hat die Marke Freud/Psychoanalyse in die Hirne der Menschen gebracht. Seine Marke gebraint, ein perfektes Braining sozusagen. Ich denke es ist ein geniale Idee, einen komplexen innerseelischen Vorgang mit dem Ausdruck „Oedipskomplex“ zu benennen.

Freud hat in den folgenden Jahren ein Gedankengebäude errichtet. Wie Tolkien mit seinen Herrn der Ringe, wie Karl May, wie Rowling mit Harry Potter. Und dieses Gedankengebäude hat wiederum viele Menschen auf neue Gedanken gebracht. Ich glaube an die Wirkung von Fiktionen. In Fiktionen kann manches ganz einfach beschrieben werden, was es noch nicht gibt, aber andere Menschen auf die Idee bringen, ob es das doch nicht geben könnte. „Beam me up, Scotty“. Oder 2001 Odyssee im Weltraum von Kubrik. Ich hab den Film gesehen, da haben wir in der Schule gerade gelernt, Kurvendiskussionen mit Hilfe von Rechenschieber und Logarithmentafel zu lösen. Ohne HAL – das ist die KI des Raumschiffes – wäre die KI Forschung meiner Meinung nach nicht dort wo sie heute ist. Ohne „Scotty beam me up“ hätte die Forschung über verschränkte Teilchen, die Entwicklung des Quantencomputers nicht diesen Stellenwert.

Er hat dieses Gedankengebäude verteidigt gegen Epigonen, die nicht der reinen Lehre folgen wollten, Jung mit seiner Symbolik, Adler mit seiner Idee der Überkompensation von Minderwertigkeiten, Reich mit seiner Orgon und Körpertherapie.

Alle diese Epigonen haben ihre wissenschaftliche Gesellschaft gegründet. Aber es ist so wie Bitcoin. Es gibt viele Kryptowährungen aber Bitcoin als Erste ist halt auch am Bekanntesten.

Es wurde damals die ganze Welt unter dem Gesichtspunkt der Tiefenpsychologie und in Hinblick auf das Unbewusste betrachtet. Jung mit seiner Erklärung der Mythen und Märchen, mit der Idee vom kollektiven Unbewussten. Die Idee von Anima und Animus, – den weiblichen und männlichen Seiten in uns.

Er hat sich dann später in alle möglichen Dinge eingemischt. Hat einen tiefenpsychologischen Kommentar zu allen möglichen Dingen abgegeben.
Das Unbehagen in der Kultur – „Kultur ist Triebverzicht“. no na net würde ich jetzt sagen. Ist eigentlich Wurscht oder? Bei manchen Happenings bin ich mir da auch nicht so sicher. Da ist es eher das Gegenteil. Da wird der umgekehrte Weg beschritten.

Totem und Tabu – Der Mann Moses und die monotheistischen Religionen. Er hat gehofft, die Menschen durch das Kennenlernen ihrer unbewussten Strebungen eben durch die Psychoanalyse in eine bessere Zeit – jenseits von Religion, Dogmatik, Nationalismus, Heldentum, Krieg zu bringen.

Reich: die Massenpsychologie des Faschismus ein wunderbares Buch – 1938 herausgekommen, leider zu spät.
Klaus Theweleit 1977 : Männerphantasien , Frauen Fließen, Männer Schießen. –

Wie alles dann gekommen ist, ist bekannt. Wo wir uns jetzt befinden, ist nicht so klar. Aber manchmal habe ich den Gedanken, dass so ein bisschen Psychoanalyse den Herrschenden dieser Welt vielleicht ganz gut tunt würde.

Eigentlich wollte ich nur über die Jugendjahre was sagen. Aber im Rahmen der Vorbereitungen für diesen Vortrag bin ich über ein paar Dinge gestolpert, die zeigen, wie „wirkmächtig“ Freud war und ist.

Freud selbst hat sich als die dritte Kopernikanische Wende bezeichnet. Er war ziemlich überzeugt von sich.

Kopernikus, der den Menschen aus der Mitte des Weltalls vertrieben hat. – die Sonne ist halt nur ein völlig unwichtiger Stern in einem völlig unwichtigen, kleinen Seitenarm einer eher kleinen und unwichtigen Galaxie –

Darwin – der mit seiner Entstehung der Arten den Menschen in eine kontinuierliche Entwicklung mit den Tieren gesetzt hat.

Und eben Freud – der mit seinem „Wir sind nicht Herr im eigenen Haus“ ordentlich am freien Willen gerüttelt hat.

Wenig bekannt ist, dass ein Neffe von ihm, die Frau von Freud war eine geborene Bernays – Edward Bernays – der Begründer des Begriffes Propaganda ist. Er hat aufbauend auf dem Menschenbild von Freud – dass wir durch allerlei unbewusste Vorgänge gesteuert werden, – eine Theorie der Massenbeeinflussung entwickelt . Das Buch wurde 1920 in den USA geschrieben und ist wahrlich abenteuerlich und aktuell. Es ist eine Tragik der Geschichte, dass dieses Buch auch von Göbbels gelesen wurde und von ihm fast 1:1 umgesetzt wurde.

Es geht dann noch weiter: Ein weiterer Nachkomme – Mark Bernays Randolph geb. 1958 ist einer der Gründer von Netflix und war auch der erste CEO dieses Unternehmens.

Ich bin jetzt schon fast am Ende.
Einen lokalen Bezug möchte ich noch herstellen. Die Idee dazu ist so ein T-Shirt mit dem Aufdruck „Pink Freud“

Nun da muss ich etwas ausholen. Ein bereits erwähnter Schüler von Freud – Wilhelm Reich hatte auch einen Schüler. Alexander Sutherland Neill (meist abgekürzt A. S. Neill,) Der hat sich um nicht erziehbare Kinder aus reichem Haus gekümmert und hat so ein Konzept der „Antiautoritären Erziehung entwickelt.“ Besser bekannt als Summerhill. (ein Ort in England an dem dann seine Schule schließendlich sich entwickelt hat). Für mich war das ein faszinierender Gedanke. Summerhill und die Antiautoritäre Erziehung war mein Maturathema in Philosophie. Gottseidank war die Vorsitzende Mathematikerin und hat nicht allzuviele Fragen gestellt.
Aber A.S.Neill war 1923 auch hier in der Gegend. Und zwar hat er das Hotel am Sonntagberg gemietet und hat dort versucht, ein Jahr lang seine Schule zu etablieren. Auf Grund von Schwierigkeiten mit den Anrainern und der Schulbehörde ist das nichts geworden und er ist eben nach Schottland und dann weiter nach Summerhill gegangen.

Und warum Pink Freud? nun das Prisma auf dem T Shirt ist ein Zitat eines Plattencovers von Pink Floyd. Und von Pink Floyd ist ein Song, den wir damals oft gespielt haben.
„ We don′t need no education. We don’t need no thought control. No dark sarcasm in the classroom. Teacher, leave them kids alone“
Es schließt sich der Kreis von Freud zur antiautoritären Erziehung und dem Lebensgefühl der 70er Jahre.
Wenn es dieses Lied im Jahre 1923 schon gegeben hätte, wäre es in Gleiss sicherlich oft gespielt worden und sozusagen die Hymne geworden. Und Summerhill hätte vielleicht Sundayhill geheißen.